Unfallrekonstruktion

Der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige

Hintergrund der öffentlichen Bestellung und Vereidigung ist es, den Gerichten, Behörden und der Öffentlichkeit besonders sachkundige und persönlich geeignete Sachverständige zur Verfügung zu stellen, deren Aussagen besonders glaubhaft sind.

Neben der Erstattung von Gutachten umfasst dies auch die Beratung, Überwachung, Prüfung, Erteilung von Bescheinigungen sowie schiedsgutachterliche und schiedsrichterliche Tätigkeiten.

Bei der Ausübung seiner Pflichten muss der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige unabhängig und unparteiisch handeln. Auf Grund der erforderlichen herausragenden Qualifikation, die er in einem aufwendigen Prüfverfahren nachweisen muss und der ständigen Kontrolle durch die vom Staat beauftragten Bestellungskörperschaften, sind die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen nach den Verfahrensordnungen von den Gerichten zu beauftragen.

Der Staat erkennt die besondere Qualifikation dieser Sachverständigen und die besondere Qualität ihrer Dienstleistungen an und erleichtert somit Unternehmen, Gerichten und Verbrauchern die Auswahl und garantiert, dass das Gutachten hohen Anforderungen gerecht wird.

Die Tätigkeit des öffentlich bestellten Sachverständigen ist nicht auf den Bezirk der Industrie- und Handelskammer beschränkt, die diesen öffentlich bestellt und vereidigt hat.

 

Bemerkbarkeit von leichten Fahrzeugkollisionen

Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort stellt einen Straftatbestand nach § 142 StGB dar. Der Sachverständige hat im Wesentlichen drei Möglichkeiten zu überprüfen, ob der Verursacher den Anstoß hätte bemerken müssen. Der Sachverständige überprüft visuelle akustische und taktile Wahrnehmbarkeit.

1. Visuelle Wahrnehmbarkeit
Die visuelle Wahrnehmbarkeit ist von der Gesichtsfeldorientierung des Fahrers abhängig. Die Frage nach der visuellen Wahrnehmbarkeit kann vom Sachverständigen oft nicht eindeutig beweiskräftig beantwortet werden. Der Schadenverursacher muss bewusst oder zufällig dem Schaden- oder Anstoßbereich den Blick zugewendet haben. Zumeist sind die Kontaktzonen für den Schadenverursacher verdeckt oder er orientiert sich mit seinem Blick in eine andere Richtung.

2. Akustische Wahrnehmbarkeit
Die Frage nach der akustischen Wahrnehmbarkeit kann der Sachverständige bei leichten Fahrzeugkollisionen eher beweiskräftig beantworten, als die Frage zur visuellen Bemerkbarkeit.

Auf Grund des hohen Messaufwandes werden selten frequenzabhängige Geräuschuntersuchungen durchgeführt. In der Praxis hat sich die Messung des Schalldruckpegels in db (A) durchgesetzt.

Bei der durchzuführenden Beurteilung, ob das Kollisionsgeräusch vom Verursacher hörbar war, sind verschiedene Faktoren zu untersuchen. Zum einen ist das Fahrgeräusch von Bedeutung, d.h. die Drehzahl des Motors und die Besonderheit des Unterschiedes beim Anfahren eines mit Schaltgetriebe ausgestatteten Fahrzeuges gegenüber einem solchen mit Automatikgetriebe. Die Drehzahl wird bei einem Schaltwagen höher als bei einem Automatikfahrzeug sein, somit also auch der zu messende Lärmpegel. Zum anderen ist zu beurteilen, ob das Fahrzeug mit einem Diesel- oder Ottomotor ausgestattet ist. Hierbei kommt es auf die Motorcharakteristik an, die in der Regel bei dem Dieselmotor überwiegend und bei älteren Dieselfahrzeugen ohnehin ausgeprägter ist, als bei Ottomotoren.

Weiterhin sind die Geräusche durch Lüfter und Radio nicht zu vernachlässigen, die ebenfalls für einen Geräuschpegel im Inneren des Fahrzeuges sorgen, so dass der Sachverständige alle Einflüsse bei seinen Messungen zu berücksichtigen hat, um bei einer Nachstellung des Kollisionsablaufes zuverlässige Ergebnisse zu erhalten.

Oftmals gibt es Zeugen, die ein Geräusch wahrgenommen haben, welches für den Schadenverursacher allerdings nicht wahrnehmbar gewesen sein muss. Dies ist darauf zurückzuführen, dass andere Störgrößen im Fahrzeuginneren für den Verursacher vorhanden sein können, die für den Zeugen, der sich in einer gewissen Entfernung aufhält, nicht vorhanden sind.

Auch die unterschiedlichen Bauformen der Fahrzeuge sind zu berücksichtigen, wenn ein Kollisionsablauf nachgestellt werden soll. So liefert ein Transporter, dessen Ladefläche zum Unfallzeitpunkt leer war ein anderes Ergebnis als eine Limousine, die über eine entsprechend gute Geräuschdämmung verfügt. Gleiches gilt für die Anstoßstellen, d. h. dass das sogenannte Geigenkastenprinzip beim Überstreichen eines Türaußenbleches ein anderes hörbares Geräusch ergibt, als beim Überstreichen der stabilen Säulen des Fahrzeuges bei gleicher Intensität.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass akustisch ein Kollisionsgeräusch nur dann wahrnehmbar ist, wenn es aus den vorhandenen Umgebungsgeräuschen hervorsticht. Dieses Hervorstechen wird von der Lautstärke und Tonhöhe bestimmt.

3. taktile Wahrnehmbarkeit
Die taktile Wahrnehmbarkeit oder das Fühlen einer Berührung, tritt eher ein als die akustische Wahrnehmbarkeit. Das Fühlen unterteilt sich in die mechanorezeptive Sinneswahrnehmung, d.h. dass die Wahrnehmung der Geschwindigkeitsänderung eines Fahrzeuges durch den Fahrer vom Sitz auf das Gesäß und den Rücken, vom Lenkrad auf die Hände und von den Pedalen auf die Füße übergeht. Es treten Scherkräfte bzw. Druckänderungen auf und werden von den taktilen Rezeptoren der Haut im Muskelgewebe erfasst.

Die vestibuläre Sinneswahrnehmung erfolgt über den Vestibularapparat des Menschen. Der ist für die räumliche Lageorientierung von Kopf und Körper sowie für die Wahrnehmung translatorischer und rotatorischer Bewegungen, und zwar für ihre Verzögerung und Beschleunigung, zuständig.

 

Betrug

Aus langjähriger eigener Erfahrung ist bekannt, dass Menschen immer wieder versuchen werden, das perfekte Verbrechen oder hier den perfekten Betrug zu inszenieren, um sich finanzielle Vorteile zu verschaffen.

Der volkswirtschaftliche Schaden ist so groß, dass es in diesem Bereich nach wie vor akuten Handlungsbedarf gibt, eine Schadenaufklärung zu betreiben.

Von Seiten der Versicherer gibt es viele Versuche den Versicherungsbetrug einzudämmen. So werden Datenbänke geschaffen, wonach ein Schadensfall entsprechend der Kriterien geprüft wird und ein Austausch mit anderen Assekuranzen erfolgt. So wird die Möglichkeit geschaffen, die schwarzen Schafe bereits nach einer Schadensmeldung zu erkennen.

Es gibt im Wesentlichen zwei Fragen an den Sachverständigen, die er beantworten muss.
Zum einen ist es die Frage der Schadenskompatibilität und zum anderen der Plausibilität.

Bei der Überprüfung der Schadenskompatibilität wird, wenn möglich, eine Fahrzeuggegenüberstellung durchgeführt. Dabei wird untersucht, ob die Deformationen an einem Fahrzeug durch das vom Geschädigten behauptete Schadensereignis erklärt werden kann. Das Ergebnis der Untersuchung ist in der Regel nicht toleranzbehaftet – es ist entweder positiv oder negativ.

Es kann auch vorkommen, dass auch die Versicherung den Personen zu Unrecht Versicherungsbetrug vorwirft. Dies liegt vor allen Dingen daran, dass die Beurteilung der Schadenskompatibilität bei den Sachverständigen viel Erfahrung voraussetzt, um nicht voreilig zu behaupten, dass die Schäden nicht zueinander passen können. Oftmals wird bei einer Gegenüberstellung oder einer Beurteilung der Kompatibilität vergessen, dass die Fahrzeuge zum Unfallzeitpunkt beladen oder mit Insassen besetzt waren. Häufig wird auch vernachlässigt, dass die Fahrzeuge in Bewegung waren, gebremst oder beschleunigt wurden oder andere damit verbundene Wank-oder Nick-Bewegungen ausgeführt haben, die bei einer einfachen statischen Gegenüberstellung zu einem negativen Ergebnis führen müssen.

Sofern keine Fahrzeuggegenüberstellung mehr möglich ist, kann die Auswertung der Schadensfotos auf Grund der großen Qualitätsstreuung in den Schadensgutachten den Nachweis eines fingierten Unfallgeschehens nicht mehr ermöglichen.

Es ist in der Vergangenheit zu beobachten gewesen, dass aus Kostenersparnisgründen auf eine umfangreiche Beweissicherung mehr und mehr verzichtet worden ist.

Nach einem positiven Ergebnis der Kompatibilitätsprüfung ist als nächstes die Plausibilitätsprüfung durchzuführen.

Unter der Plausibilität versteht man die Betrachtung von Weg-Zeit-Geschwindigkeitsverhalten der beteiligten Fahrzeuge und Personen unter der Betrachtung physikalisch-technischer Gesetzmäßigkeiten sowie verwertbarer Schilderungen der beteiligten Personen zum Schadenhergang. Hierzu ist zu prüfen, ob der von den Beteiligten angegebene Ort der tatsächlichen Unfallstelle entspricht und ob sich Anhaltspunkte für einen abgesprochenen oder provozierten Unfall ergeben. Es sind die Verhaltensmuster zu prüfen, ob antrainierte und zu erwartende Handlungen unter Umständen fehlen.

Erst nach Abschluss einer Plausibilitätsprüfung kann eine Aussage getroffen werden, ob es sich tatsächlich um Versicherungsbetrug handelt.

 

Beweissicherung

Die Beweissicherung beginnt bereits an der Unfallstelle, wenn es zu einem Unfall kam. Idealerweise gibt es Fotos von den beschädigten Fahrzeugen und von den Endlagen der Fahrzeuge, so dass eine Kollisionsanalyse oder eine Rekonstruktion des Verkehrsunfalls möglich ist.

Der Normalfall sieht allerdings so aus, dass oftmals die Fahrzeuge für eine Besichtigung nicht mehr vorhanden sind und Spuren auf der Fahrbahn höchstens verbal beschrieben werden können. Wenn der Sachverständige zeitnah eingebunden wird, hat er die Möglichkeit, zumindest noch an der Unfallstelle nach Reifenspuren (Brems- Schleuder-, Walk-, Driftspuren etc.) zu suchen, obwohl auch die Möglichkeit besteht, dass hier auf Grund der inzwischen vergangenen Zeit diese nicht mehr oder aber auf Grund der Witterung nicht so ausgeprägt auf der Fahrbahn vorhanden sind.

Die Suche nach Splittern auf der Fahrbahn ist bereits deshalb schwierig, da meist nach einem Unfall die Fahrbahn mit dem Besen gereinigt wird und die Splitter sich nur noch am Fahrbahnrand befinden. Dennoch ist nach Kontaktspuren insbesondere an Bäumen, typischen Schlagmarken auf der Fahrbahn, Farbantragungen und –abschabungen etc. und nach Teilen, die sich neben der Fahrbahn befinden, zu suchen. Oftmals wird auch vernachlässigt, dass bereits zwischenzeitlich Leitplanken oder Poller ausgetauscht wurden. Hierüber kann man sich beim Straßenbauamt Gewissheit verschaffen. Wenn es möglich ist, sind die Spuren auf der Fahrbahn zu sichern, da sie Rückschlüsse auf das Fahrverhalten und darauf, ob z. B. der Hergang plausibel ist, geben. Auch sollten die Sichtbedingungen der Beteiligten und das Fahrverhalten der Verkehrsteilnehmer an der Unfallstelle dokumentiert werden.

Am Fahrzeug sind markante Formen und Spuren in Übersicht und in Detailaufnahmen zu fertigen. Diese müssen die Krafteinwirkungsrichtung, Beulentiefe und Abmessungen wiedergeben. Fremdlackantragungen sind ebenfalls sehr wichtig zu dokumentieren. Wenn die Möglichkeit besteht das Fahrzeug zu besichtigen, sind reparierte und unreparierte Vorschäden zu dokumentieren. Zum Zwecke der Beweissicherung ist es immer hilfreich, zeitnah auch Handskizzen von den Beteiligten anfertigen zu lassen. Zu den Unfallberichten der Polizei ist zu erwähnen, dass es bedauerlicherweise große Qualitätsunterschiede bei der Aufnahme eines Verkehrsunfalls gibt.

Nur selten werden noch Fotos direkt vor Ort durch die Polizeikräfte gefertigt. Häufig beobachtete Fehler sind falsche Bemaßung bzw. Maßangaben der Unfallspuren und der Endstellungen der Fahrzeuge, sowie das Nichterkennen von Bremsspuren. Die Bremsspuren werden oft nur bis zum Fahrzeugheck eingezeichnet und eingemessen. Es fehlen Angaben zu der höhenmäßigen Vermessung und zu den Messbedingungen. In der Verkehrsunfallanzeige sind oft Schäden, die dem Unfallereignis mit Sicherheit nicht zuzuordnen sind, aber im nachhinein untersucht werden müssen, aufgeführt. Für eine optimale Beweissicherung bzw. Schadenaufnahme am Fahrzeug hat der Sachverständige zu sorgen. Auswertungen werden aber auch bewusst oder unbewusst erschwert, indem Fahrzeuge manchmal regelrecht eingeparkt oder so abgestellt werden, dass sie schlecht zugänglich sind.

Bei einer Beweissicherung ist darauf zu achten, dass das Fahrzeug auf jeden Fall im Schadensbereich und im Gesamten seines Äußeren untersucht und, wenn erforderlich, fotodokumentarisch aufgenommen werden kann.

 

Crashversuche

Jedes Jahr werden eine Vielzahl von professionellen Crashversuchen durchgeführt, die Kollisionen zwischen PKW, PKW und Krädern, PKW und Fußgänger, PKW und LKW sowie Barriere- Anprallversuche beinhalten.

Diese Crashtests decken das breite Spektrum der im Straßenverkehr möglichen Anstoßkonfiguration und Kollisionspartner sowie Geschwindigkeiten überwiegend ab.

Insbesondere LKW-beteiligte Crashversuche erfordern einen hohen technischen Standard. Aus diesem Grund sind diese Versuche mit hohen Kosten verbunden, die im Rechtsstreit nur selten getragen werden.

Dennoch führen die von Organisationen und Verbänden durchgeführten Crashtestversuche dazu bei, Vergleiche zu Realunfällen zu ziehen und diese bei der Unfallanalyse zu berücksichtigen.

Es gibt Versuchsanlagen, auf denen Fahrzeuge in verschiedenen Winkeln aufeinanderprallen und dies mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Diese Versuchsanlagen werden auch dafür genutzt komplexe Insassenbewegungen zu analysieren oder auch um Untersuchungen der Kompatibilität von Fahrzeugschäden durchzuführen.

 

HWS-Syndrom

HWS-Syndrom Halswirbelsäulen-Verletzungen (HWS-Verletzungen) werden von Unfallopfern bei den verschiedensten Arten von Unfällen geltend gemacht. Überaus häufig in der gerichtlichen Praxis ist die Beurteilung bei folgenden Unfalltypen:

Heckkollision, Frontkollision, Seitenkollision, Anprall gegen feste Hindernisse, Brems- und Ausweichvorgänge, Spurwechsel. Ob eine HWS-Verletzung aus technischer Sicht erklärbar ist oder nicht, wird derzeit daran festgemacht, ob die Geschwindigkeitsänderung des Fahrzeugs, in dem die zu betrachtende Person sitzt, und die mittlere Beschleunigung des Fahrzeugschwerpunkts dieses Fahrzeugs eine bestimmte Größe überschritten haben. Diese Bewertungsgrößen reichen aus, wenn ein zentraler Stoß oder ein nahezu zentraler Stoß vorliegt, weil die dafür berechneten Werte auch in etwa für die Insassen gelten. Bei exzentrischen Stößen muss die Geschwindigkeitsänderung und die mittlere Beschleunigung für den Insassen berechnet werden, was ungleich komplizierter ist. Wenn man die nachstehende Darstellung (Auffahrunfall, Bild 1) betrachtet, so wird deutlich, dass die Belastung des/der Insassen im gestoßenen Fahrzeug u.a. von den Struktursteifigkeiten der Karosserien beider Fahrzeuge abhängen. Aus den Fahrzeugverformungen, die als EES-Werte beschrieben werden, werden die Geschwindigkeiten der Fahrzeuge vor der Kollision, die Dauer des Stoßes und die mittlere Beschleunigung/Verzögerung berechnet. Es gilt der allgemeine Zusammenhang „Kraft = Masse mal Beschleunigung“.

Durch die zeitlich veränderliche Kraft in der Kontaktzone der Fahrzeuge wird das vordere Fahrzeug beschleunigt. Der auf dem Sitz befindliche Insasse wird über die Rückenlehne und die Reibungskraft auf dem Sitzkissen mitbeschleunigt/mitgenommen. Die Rückenlehne hat besondere Eigenschaften, die durch eine Feder mit eben diesen Eigenschaften mathematisch beschrieben werden kann. Die Eigenschaft der Rückenlehne hat bedeutsamen Einfluss auf den zeitlichen Verlauf der auf die/den Insassen wirkenden Beschleunigung. Jeder Fahrzeugsitz hat unterschiedliche Eigenschaften, die man durch Messung der Kraft-Weg-Kennlinie ermitteln kann.


Die Oberkörperbewegung wird über die Halswirbelsäule und die Halsmuskeln auf den Kopf übertragen. Dabei kommt es zuerst zu einer lateralen Verschiebung der Wirbelkörper der HWS, das heißt zu einer Verschiebung (= Scherung) zwischen Oberkörper und Kopfachse. Danach tritt eine Rotation des Kopfes mit Biegung der HWS ein und es erfolgt eventuell ein Aufprall des Kopfes gegen die Kopfstütze.

Der Vorgang ist von mehreren Autoren messtechnisch erfasst und mit Hochgeschwindigkeitskameras festgehalten worden. Das Bild 2 zeigt die Bewegung eines Insassen in signifikanten Zeitschritten bei einem Versuch mit einer Geschwindigkeitsänderung von 7,8 km/h. Er ist der Literaturstelle /3/ entnommen. Man sieht auf dem Bild 2 recht gut, dass der Kopf bei 120 ms gerade an der Kopfstütze anliegt und erst danach die Rotation des Kopfes einsetzt (wobei hier die Kopfstütze viel zu tief sitzt, was aber in der Praxis oft der Fall ist). Nach 120 ms ist das Maximum der Oberkörperbeschleunigung bereits erreicht oder überschritten.

Bei schweren Unfällen mit Geschwindigkeitsänderungen von mehr als 25 km/h und mittleren Beschleunigungen/Verzögerungen über 10 g spielen die Hyperextension des Halses und das Hochrutschen an der Rückenlehne eine bedeutsame Rolle. In diesen Fällen haben die Stellung und die Festigkeit der Rückenlehne sowie die Anordnung und Gestaltung der Kopfstütze einen bedeutsamen Einfluss.

Bei Unfällen im niedrigen Geschwindigkeitsbereich mit Geschwindigkeitsänderungen unter 25 km/h spielen die Härte und Dauer des Stoßes eine große Rolle. Diese Stoßdauer hängt primär von der Strukturfestigkeit der beteiligten Fahrzeuge (z.B. Anhängekupplung ja/nein) und der Härte der Sitzrückenlehne ab. Je härter die Fahrzeugstrukturen sind, desto kürzer wird die Stoßdauer und umso größer wird die mittlere Beschleunigung (Bild 3). Die im gefährdeten Bereich der HWS wirkenden Kräfte sind umso größer, je größer die Beschleunigungsdifferenz zwischen Oberkörper und Kopf ist. Die HWS-Verletzung ist hier bereits eingetreten, bevor der Kopf die Kopfstütze erreicht hat. Aus der Literaturstelle /9/ folgt, dass bei Fahrzeugen, die ab etwa 1990 gebaut wurden, wegen steiferer Sitzrückenlehnen, das Risiko von HWS-Verletzungen 2,7-fach höher ist als bei älteren Fahrzeugen. Ferner wurde dort u.a. festgestellt, dass bei Fahrzeugen, die eine Anhängerkupplung haben, ein 22 % höheres Risiko für HWS-Verletzungen vorliegt.

Der für den Auffahrunfall beschriebene Mechanismus gilt nicht für andere Unfallarten. Dort gibt es teilweise wesentlich komplexere Zusammenhänge, die hier nicht beschrieben werden.

Beim Auffahrunfall oder bei einer Frontalkollision gibt es auch Verletzungen der HWS von Insassen im auffahrenden/verzögerten Fahrzeug. Dabei ergibt sich in Bezug auf die HWS grundsätzlich ein günstigerer Bewegungsablauf und eine prinzipiell geringere HWS-Belastung als bei Heckkollisionen. Beim Frontalanprall wird die vorwärtsgerichtete Relativbewegung des Insassen im Wesentlichen durch die Gurte aufgefangen. Die indirekte Krafteinleitung unterhalb der Halswirbelsäule über den Thorax und die leichte Körperrotation aus dem Schultergurt ergibt – bei sonst gleichen Fahrzeugbelastungen – einen Bewegungsablauf, der mit geringeren Belastungen der einzelnen HWS-Wirbelkörper verbunden ist. Zudem ist die hintere Nackenmuskulatur, welche den Kopf vor zu großer Vorwärtsbewegung schützen kann, wesentlich stärker ausgebildet als die vorderen Halsmuskeln. Der Harmlosigkeitsbereich für nicht unerhebliche HWS-Beschwerden nach frontalen Kollisionen liegt im "Normalfall" bei Verwendung von Sicherheitsgurten in einem Bereich der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung des verzögerten Fahrzeuges von etwa dem doppelten Wert desjenigen bei Heckkollisionen (10-15 km/h), also bei 20 – 30 km/h. "Normalfall" heißt, dass die biomechanisch relevante Situation eines Insassen derjenigen Situation entsprechen muss, die bei der wissenschaftlichen Ermittlung dieses Bereichs vorgelegen hatte. Dies heißt im Wesentlichen, dass die betroffene Person nicht älter als etwa 50/55 Jahre sein darf, keine mehr als unerheblichen krankhaften oder traumatisch bedingten Veränderungen im Halswirbelsäulenbereich vorliegen, und anlässlich der Kollision keine Körperposition relativ zum Fahrzeuginnenraum vorlag, welche eine zusätzliche Belastung hätte ergeben können. Andernfalls ist die Harmlosigkeitsgrenze eventuell auch unterhalb von 20 km/h anzusetzen. Umgekehrt könnten Umstände, die das biomechanische Risiko verringern, wie z.B. eine besonders robuste Konstitution und/oder spezielle Sicherheitselemente wie ein Airbag, die Harmlosigkeitsgrenze nach oben verschieben. Biomechanische Überlegungen sind nicht ohne medizinische Ausbildung vorzunehmen. Ggf. sind interdisziplinarische Gutachten erforderlich.

Belastungsgrenzen

Die Mechanismen, die zu den HWS-Beschwerden oder HWS-Verletzungen führen sind derzeit noch längst nicht zuverlässig aufgeklärt. Noch nicht einmal bei dem am einfachsten zu betrachtenden Auffahrunfall ist ganz klar, wie es zu den Beschwerden kommt. Zur Zeit herrscht die Meinung vor, dass Druckwellen in den Blutgefäßen und in der Rückenmarksflüssigkeit kleinste, bisher durch Diagnosegeräte nicht nachweisbare Verletzungen erzeugen. Es ist auch ein Bewertungskriterium (Neck Injury Criterion, NIC) vorgeschlagen worden, über dessen Höhe und Berechnungsweise aber noch Uneinigkeit besteht.

Hinzu kommt, dass Untersuchungen von Castro u.a. gezeigt haben, dass sogar Personen, denen man einen Auffahrunfall nur durch entsprechende Geräusche und Rollbewegung eines Fahrzeugs ohne Kollision vorgetäuscht hatte, über Beschwerden klagten. Daraus wurde geschlossen, dass alleine schon psychosomatische Reaktionen zu HWS-Beschwerden führen können. Aus der manuellen Medizin ist bekannt, dass eine „falsche“ (unphysiologische) Bewegung im täglichen Leben ausreicht, um HWS-Beschwerden zu erzeugen. Eine weitere Schwierigkeit ist die, dass die bisherigen Untersuchungen von einer „normalen“ Kopfhaltung ausgegangen sind. Niemand weiß, was passiert, wenn z.B. ein Insasse den Kopf um 70 Grad zur Seite gedreht hat, als es zum Auffahrunfall gekommen ist.

Ob eine solche Kopfdrehung in einem konkreten Fall vorgelegen haben kann, muss von dem Gericht, orientiert an dem allgemeinen Unfallablauf, entschieden werden.

Trotz alledem kann es nicht so sein, dass man deshalb die bisherigen Untersuchungsergebnisse unbeachtet lässt und auf weitere wissenschaftliche Ergebnisse wartet. Das, was heute bekannt ist, lässt doch die Aussage zu, dass die von einem Fahrzeuginsassen beklagten Beschwerden bei Überschreitung der weitgehend akzeptierten Grenzwerte auf den Unfall zurückgeführt werden können. Die Angabe einer Wahrscheinlichkeit, mit der dies der Fall ist, kann nicht erwartet werden, weil diese Wahrscheinlichkeit allenfalls die einzelne Person betreffen könnte. Über deren Körperbau ist meist nichts Genaueres bekannt und schon gar nicht sind mehrere Ereignisse bei dieser Person bekannt, aus denen eine Wahrscheinlichkeitsaussage ableitbar wäre.

Wenn es zu der Aussage kommt, dass aus technischer Sicht eine HWS-Verletzung nicht zu erklären ist, weil die Grenzwerte nicht überschritten wurden, dann kann ein medizinisches Gutachten durchaus ein anderes Ergebnis liefern.

Folgende sinnvolle Belastungsgrenzen, unterhalb derer bei europäischen Fahrzeugen HWS-Verletzungen aus technischer Sicht nicht mehr erklärt werden können, wurden für normale Sitzhaltung, normale Körperkonstitution, ohne krankhafte Veränderungen definiert:

  Geschwindigkeitsänderung Mittlere Beschleunigung
Auffahrunfall / Heckkollision HWS-Verletzung bei weniger als 11 km/h nicht erklärbar, Harmlosigkeitsgrenze 10 km/h 30 m/s² bzw. 3 g
Frontalkollision 20 km/h 50 m/s² bzw. 5 g
Seitenkollision Seitliche Beweglichkeit der HWS ist am geringsten. Es kann zu einem unmittelbaren Kontakt zwischen Schulter des Insassen und Tür des Fahrzeugs kommen, harter Stoß. Kopfanprall bei stoßzugewandter Seite schon bei 5 km/h, bei stoßabgewandter Seite prüfen, ob Rückschwingen erfolgen kann. Grenzwert unbe-kannt, vermutlich nicht viel höher als bei stoßzugewandter Seite Bisher nichts definiert. Grad der Unerwartetheit bedeutsam.

Seitenkollision Seitliche Beweglichkeit der HWS ist am geringsten. Es kann zu einem unmittelbaren Kontakt zwischen Schulter des Insassen und Tür des Fahrzeugs kommen, harter Stoß. Kopfanprall bei stoßzugewandter Seite schon bei 5 km/h, bei stoßabgewandter Seite prüfen, ob Rückschwingen erfolgen kann. Grenzwert unbekannt, vermutlich nicht viel höher als bei stoßzugewandter Seite Bisher nichts definiert. Grad der Unerwartetheit bedeutsam.
In der Literaturstelle /4/ werden zum Schweregrad von HWS-Verletzungen Ausführungen gemacht. Diese Einstufung wird primär interdisziplinär im medizinischen Fachbereich angewendet. Da in medizinischen Gutachten oft solche Einstufungen vorgenommen werden und bei der technischen Begutachtung Berücksichtigung finden sollen, werden sie in einer Tabelle aufgeführt:

Schweregrad

I
Schmerzsymptomatik nicht über 72 bis 96 Stunden. Keine erfaßbaren Veränderungen durch diagnostische Verfahren zu belegen.
II
Symptomdauer bis 3 Wochen nach Schadensereignis. Objektive Feststellung des muskulären Hartspannes und pain release unter Physiotherapie.
III
Radiologisch objektivierbare Fehlstellung bis hin zum Ausmaß einer rever­siblen Subluxation eines Bewegungssegmentes mit oder ohne neurologische Störungen.
IV a
Luxation oder Luxationsfraktur der HWS, ggf. kombiniert mit neurologischen Störungen.
IV b
Tödliches HWS-Beschleunigungstrauma.

Ferner finden sich in /4/ Beschwerden/Symptome, die bei HWS-Verletzungen von den betroffenen Personen berichtet werden, bzw. an ihnen zu beobachten sind (absteigende Reihenfolge):

Körperliche Beschwerden Psychische Beschwerden
Bewegungseinschränkung des Kopfes Nervosität / Unruhe
Cephalgie (Kopfschmerzen) Abnorme Müdigkeit
Nackenschmerzen Frühes Erwachen wegen Schmerzen
Schulterschmerzen Durchschlafschwierigkeiten
Schwindel Innerlich gespannt und unruhig
Parästhesien (Gefühllosigkeit) Schlafstörungen durch Schmerzen
Lichtempfindlichkeit Einschlafschwierigkeiten
Benommenheit Sozialer Rückzug
Sehstörungen Weniger Initiative
Beklemmungsgefühle in der Brust Tagsüber traurig/niedergeschlagen
Hörstörungen Ängstlich/schreckhaft
Kreislaufstörungen Seelische Schwere
Lärmempfindlichkeit Plötzliches Weinen
Hitzeempfindlichkeit Versagensängste
Schluckbeschwerden Körperliche Schwere
Übelkeit Suizidgedanken/Minderwertigkeitsgefühle

Kollisionsanalyse

Die weiteren Zusammenhänge sind besser zu verstehen, wenn zuerst die im Folgenden immer wieder auftauchenden Begriffe wie Kollisionsgeschwindigkeit, Differenzgeschwindigkeit und Geschwindigkeitsänderung sowie EES (energy-equivalent-speed = energie-äquivalente-Geschwindigkeit) erklärt werden. Unter der Kollisionsgeschwindigkeit versteht man die Geschwindigkeit des stoßenden und die des gestoßenen Fahrzeuges zum Zeitpunkt des Aufpralls. Die Differenzgeschwindigkeit oder Relativgeschwindigkeit ist der Unterschied der Geschwindigkeiten beider am Unfall beteiligten Fahrzeuge. Wenn unterstellt werden würde, dass z.B. das klägerische Fahrzeug gestanden hat und der Beklagte mit seinem Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 10 km/h auffuhr, so beträgt die Differenzgeschwindigkeit 10 km/h. Würde vorausgesetzt werden, das der Kläger mit 5 km/h gefahren ist und der Beklagte wiederum mit einer Aufprallgeschwindigkeit von 10 km/h auf das Klägerfahrzeug aufgefahren wäre, so wäre die Differenzgeschwindigkeit 5 km/h. Die Geschwindigkeitsänderung (∆v), als Maß für die Beurteilung einer möglichen HWS-Verletzung stellt den Betrag dar, um den sich die Geschwindigkeit eines Fahrzeuges in Folge des Anstoßes ändert. Ist z. B. das Beklagtenfahrzeug mit 10 km/h auf das stehende klägerische Fahrzeug aufgefahren und das klägerische Fahrzeug auf 6 km/h beschleunigt worden, so beträgt die Geschwindigkeitsänderung des zuvor im Stillstand befindlichen Fahrzeuges 6 km/h.

Die Energie-äquivalente-Geschwindigkeit (EES) ist eine theoretische Größe, die es ermöglicht, die bei dem Anstoß geleistete Deformationsarbeit zu beschreiben. Für die Abschätzung der EES dienen im allgemeinen einschlägige Literatur und Kataloge, die im Vergleich mit den vorliegenden Schadensbildern eine grobe Abschätzung ermöglichen. Wird vorausgesetzt, dass der Anprall eines Fahrzeuges gegen ein starres unbewegliches Hindernis mit einer bestimmten Geschwindigkeit erfolgte, so entspricht die dabei auftretende Kollisionsgeschwindigkeit annähernd der EES. Somit ist es möglich aus dem Vergleich mit entsprechenden Unfallversuchen direkt Angaben über die EES eines Fahrzeuges zu treffen. Die Anwendung des EES-Verfahrens lässt die Eingrenzung der Differenzgeschwindigkeit zu, wenn man entsprechend ausgewertete Kataloge und Hilfsmittel verwendet. Die dabei zu errechnende Kollisionsgeschwindigkeit wird dann unter Berücksichtigung der Fahrzeugmassen und der Elastizität des Anstoßes in Bereichen errechnet, so dass sich letztendlich die Geschwindigkeitsänderung ergibt. Im Vergleich mit bereits vielfach veröffentlichten Probandenversuchen kann dann anschließend die ermittelte Geschwindigkeitsänderung in ihren Grenzen dem Schwellenwert gegenübergestellt werden.

 

Kollisionsanalyse

Die gängigen Berechnungsverfahren der Kollisionsanalyse leiten sich für die Kollisionsphase aus den klassischen Stoßgesetzen ab.

Ein Verkehrsunfall unterteilt sich im Wesentlichen in drei Phasen, die Phase der Gefahrerkennung und Abwehrhandlung, die Kollisionsphase und letztlich die Auslaufphase. Der Sachverständige hat im Idealfall von den technischen Anknüpfungstatsachen ausgehend den Unfall zu rekonstruieren und die einzelnen Phasen zu analysieren.

Üblicherweise wird bei der Rekonstruktion der Unfall von der Endsituation nach und nach bis zur Einlaufsituation aufgerollt. In diesem Fall spricht man von Rückwärtsrechnung. Zunächst ist die Auslaufphase zu betrachten. Sie lässt sich am besten so beschreiben, dass bei Feststellung einer größeren Entfernung zwischen Kollisions- und Endstellung und je höher die Verzögerung im Auslauf war, die Geschwindigkeit der Fahrzeuge nach der Kollision entsprechend hoch gewesen sein muss.

Hierbei kommt es darauf an, ob auf der Fahrbahn z. B. Schleuderspuren oder Bremsblockierspuren zu erkennen sind, so dass sich der Fahrzeugzustand während der Auslaufphase, bzw. die Auslaufgeschwindigkeit, mit relativ hoher Genauigkeit auf Grund des Verzögerungszustandes des Fahrzeuges bestimmen lässt. Spurenknicke im Verlauf von Bremsspuren haben z. B. eine sehr hohe Bedeutung in der Unfallrekonstruktion. Diese Spurenunstetigkeit tritt dann auf, wenn eine äußere Kraftein-wirkung entsteht, so dass der Knick die Lage des Kollisionsortes markiert. Ganz wesentlich ist die erzielbare Verzögerung, die bei einem blockierverzögerten Fahrzeug in guter Näherung nur noch von dem Reibwert zwischen Reifen und Fahrbahn abhängt. Bei sogenannten Vollstößen können aus Unfallversuchen relativ genaue Aussagen über die während der Kollision ausgetauschten Energiebeträge getroffen werden.

Anders sieht es bei der Streifkollision aus, bei der die innerhalb der Kollisionsphase übertragene Stoßkraft von vielen Faktoren, wie Steifigkeit der Kontaktflächen, Überdeckung, Aufprallwinkel und Geschwindigkeit abhängt.

Schwierigkeiten bereitet auch über die Größe der in Verformung umgewandelten Energie eine Aussage zu treffen.

Die Begriffe, wie Differenzgeschwindigkeit und Relativgeschwindigkeit werden unter „HWS-Syndrom“ näher erklärt.

Für die Berechnung der Kollisionsgeschwindigkeiten ist es neben diesen Kenntnissen erforderlich, Informationen Kenntnisse über die Entfernung und den Fahrzustand zwischen Kollision- und Endposition der Fahrzeuge zu haben. Wie bereits erwähnt, kann dann zumindest die Geschwindigkeit nach der Kollision bestimmt werden und unter Berücksichtigung der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung, die eigentliche Fahrgeschwindigkeit kurz vor dem Zusammenstoß ermittelt werden. Auf eine Reihe der aus der Physik bekannten Gesetzmäßigkeiten, wie Impuls- Drall- und Energiesatz, lässt sich die Kollisionsgeschwindigkeit berechnen.

Als letztes erfolgt die Beurteilung der Entwicklung des Verkehrsunfalls. Diese Beurteilung ist von großer Bedeutung, um die Vermeidbarkeit eines Verkehrsunfalls zu beantworten. Im letzten Schritt ist zu prüfen, wie weit der Vorfahrtberechtigte entfernt war, als die Vorfahrtverletzung für ihn erkennbar war, welche Zeit bis zum Aufprall verging, wie weit der Bevorrechtigte entfernt war, als der Vorfahrtsverletzende sich dazu entschloss in die bevorrechtigte Fahrbahn einzufahren und welche Zeit dabei verging, bis es zum Unfall kam.

Weiterhin ist zu prüfen, wo sich der Vorfahrtverletzende befunden hätte, wenn bei pflichtgemäßem Verhalten des Bevorrechtigten zwar keine räumliche Vermeidbarkeit, jedoch eine spätere Ankunft an der Unfallstelle vorgelegen hätte und um welche Zeitspanne er später an der Unfallstelle eingetroffen wäre.

Diese Zusammenhänge werden als Weg-Zeit-Zusammenhänge bezeichnet.

Im Gutachten werden sie häufig durch Zahlen oder in Form eines Diagramms - dem Weg-Zeit-Diagrammn – für den Laien und für die Richter dargestellt. Es sind somit die den Unfall herbeiführenden Umstände ab dem Zeitpunkt des Überholbeginns, des Abbiegebeginns oder Auftauchens des Unfallgegners im Sichtbereich bis zur Kollision bedeutsam und daher zu untersuchen. Die Verbindung von objektiven Unterlagen, wie Schadenbilder der Fahrzeuge, objektive Sichtweite u. ä. mit den Aussagen der unfallbeteiligten Fahrzeuglenker und Zeugen ermöglicht vielfach eine Analyse des Unfallgeschehens oder es können zumindest Behauptungen als technisch möglich bestätigt oder widerlegt werden.

Es ist immer der Zusammenhang zwischen Zeitpunkt und Position eines Fahrzeuges oder Fußgängers darzustellen. Die Position wird dabei üblicherweise durch eine Weg-Zeitberechnung ermittelt.

Durch Zerlegung der allgemeinen Bewegung in einzelne Abschnitte, wobei jeder Abschnitt mit Hilfe einer einfachen Funktion detailliert dargestellt wird, lässt sich so nachvollziehbar darstellen.

Die mathematische Funktion des Weges in Abhängigkeit von der Zeit erhält man durch zweimaliges Integrieren der Beschleunigungsfunktionen. Die erste Integration liefert die Geschwindigkeit, die zweite den Weg. Umgekehrt gelangt man durch einmaliges Differenzieren, ausgehend von der Wegfunktion, zur Geschwindigkeitsfunktion und durch ein zweites Differenzieren zur Beschleunigungsfunktion. Es wird dabei unterschieben, ob es sich um eine gleichförmige Bewegung, eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung oder eine gleichmäßige Änderung der Beschleunigung handelt. Neben der eben beschriebenen Rückwärtsanalyse, die teilweise sehr große Einschränkungen in ihrer Anwendbarkeit besitzt, kann die Vorwärtsanalyse als allgemein gültiges Verfahren angewandt werden.

Hierbei können durch Anwendung von Rechenprogrammen alle beliebigen Fahr- und Schleudervorgänge eines Vierradfahrzeuges (z.B. schleudernder Auslauf, Beschleunigungs- und Bremsvorgänge, stationäre Kreisfahrt, Bremsen in der Kurve u.s.w.) simuliert werden. Das dabei zu betrachtende 3-dimensionale Fahrzeug wird an beliebiger Stelle in einem ortsfesten Koordinatensystem mit vorgegebenen Basiswerten gestartet und anschließend in definierten Zeitabständen über die an der Bereifung angreifenden Kräfte die Fahrzeugbewegung betrachtet. Dabei erlangt das Reifenkennfeld allergrößte Bedeutung, da der Reifen als einziges Bindungsglied zwischen Fahrzeug und Fahrbahn vorhanden ist.

Es sind exakte mathematische Beschreibungen anzuwenden.

Dem Anwender solcher Rechenprogramme (z. B. PC-Crash, Carat, Analyser Pro) müssen Eingabegrößen vorgeben, die zuvor korrekt ermittelt werden müssen. Alle Programme ersetzen jedoch keinesfalls die eigentliche Kompetenz des Sachverständigen auch selbst rechnerisch in der Lage zu sein, eine komplette Kollisionsanalyse zu erarbeiten. Die Simulationen dienen der Darstellung, wobei sie vorwiegend in Gerichtsverfahren von Vorteil sind. An das zu erstattende Gutachten wird die Forderung gestellt, dass es für den Laien nachvollziehbar sein muss. Auf Grund der Thematik liegt jedoch schnell eine Überforderung der Personen vor. Die Zusammenhänge können dann mit Simulationen besser dargestellt werden.

 

Kompatibilität

Die Kompatibilität umfasst die gegenseitige Zuordnung der Beschädigungsbilder und anderer Spuren markanter Formen, Spuren mit Einmaligkeitscharakter sowie der Beschädigungsintensitäten unter Beachtung der Steifigkeiten der an der Kollision primär und sekundär beteiligen Fahrzeugzonen.

Stehen die Fahrzeuge für eine Kompatibilitätsprüfung nicht mehr zur Verfügung ist der Nachweis eines fingierten Unfallsgeschehens nicht möglich, wenn die Schäden gar nicht mit Fotos dokumentiert wurden oder aber auch der Sachverständige, der die einfache Schadenaufnahme durchgeführt hat, die Schäden nicht detailliert fotografiert hat. Hier beginnt bereits in der üblichen Praxis die Trennung des Sachverständigen für Schäden und Bewertungen und dem Sachverständigen für unfallanalytische Gutachten. Dem normalen Schadensachverständigen reicht die Dokumentation des Schadens. Der Unfallanalytiker benötigt Übersichts- und Detailaufnahmen. In aller Regel wurde der Schaden zuerst vom Schadensachverständigen aufgenommen und der Unfallanalytiker erhält die Bilder dann zur Auswertung. Häufig ist festzustellen, dass gerade die Bilddokumentation des Sachverständigen bewusst dadurch behindert wird, dass das Fahrzeug äußerst ungeeignet aufgestellt wird (z.B. Tiefgarage, Autoplatz etc.).

Der Schadensachverständige sollte bereits bei Erkennen eines für ihn nicht klaren Schadenbildes einige kritische Fragen an die Beteiligten stellen und eine umfangreiche Bilddokumentation fertigen, um später eine Aufklärung zu ermöglichen.

Obwohl es klare Richtlinien gibt, die von den „ordentlichen Sachverständigen“ eingehalten werden, ist eine große Qualitätsstreuung festzustellen.

Es ist häufig zu bemängeln, dass die Angaben zum Allgemeinzustand des Fahrzeuges im Gutachten fehlen, ebenso die Übersichtsaufnahmen des gesamten Fahrzeuges und Angaben über reparierte und unreparierte Vorschäden sowie über die Qualität der Reparatur. Nicht bzw. teil reparierte Schäden werden oftmals nicht durch Fotos dokumentiert.

Bedeutsam ist zuerst, wie ein Schaden am Fahrzeug fotografiert wird. Es ist darauf zu achten, dass die Übersichtsaufnahme mit angelegtem Maßstab und gegenüber dem Schadenbereich senkrecht, d. h. zumeist aus der Hocke fotografiert wird, da so am wenigsten optische Verzerrungen hervorgerufen werden. Auch bei der Verwendung der Objektive ist darauf zu achten, dass bei Normalobjektiven der größte Fehler an den Rändern auftritt. Häufig wird vernachlässigt, dass zur Dokumentation von Details vor Demontagearbeiten der Istzustand zu fotografieren ist. Es ist bereits vorgekommen, dass bei Vernachlässigen dieser Vorgehensweise Betrugsabsichten nicht nachgewiesen werden konnten (Aufhebeln von Türen, Hauben etc.). Spaltmaße, wenn bereits eindeutig erkennbar, dass sie sich verändert haben, sind von ihrem Verlauf und mit der jeweils gegenüberliegenden Seiten zu fotografieren. Spaltmaßveränderungen müssen schlüssig mit der Krafteinleitung sein. Oft sind besondere Objektive erforderlich, die Kratzspuren in ihrer Verlaufsrichtung dokumentieren. Sie geben auch die Möglichkeit zu ermitteln durch welchen Gegenstand diese Kratzspuren verursacht worden sind. Bei der heutigen Digitalfotografie gibt es eine große Breite von Anbietern. Nach vielfältiger und heftiger Diskussion, gerade in der Anfangszeit der Digitalfotografie, hat sie sich in den Gutachten durchgesetzt. Für eine Weiterverarbeitung, d.h. z.B. Vergrößerung von Details, wird bei digital gefertigten Fotos allerdings oft vernachlässigt, dass die Bilder eine Mindestauflösung erfordern. Außerdem ist es im gerichtlichen Verfahren wichtig, dass die Originaldatei erhalten bleibt.

Mit heutigen Programmen lässt sich der Nachweis, wie oft ein Bild bearbeitet worden ist, ohne weiteres durchführen.

Bei der Fahrzeuggegenüberstellung zur Feststellung der Kompatibilität wird untersucht, ob die Deformationen an einem Fahrzeug durch das vom Geschädigten behauptete Schadenereignis erklärt werden können. Handelt es sich z. B. um einen Leitplankenanprall ist herauszufinden, ob das Schadenbild von einer Leitplankenkontur erzeugt wurde.

An der Kompatibilitätsprüfung, d. h. Fahrzeuggegenüberstellung sollten idealerweise die Beteiligten anwesend sein. Sie sollten den Unfallablauf aus ihrer Sicht erklären, um bestimmte Fahrzustände, die möglicherweise ein Widerspruch zur Kompatibilität im statischen Zustand ergeben würden, erklären zu können. Es hat sich bestens bewährt, dass die Beteiligten eine Handskizze anfertigen, um nachher daraus Widersprüche zu erkennen. Die Beladung und die Fahrzeugbesetzung zum Ereigniszeitpunkt sind vom Sachverständigen zu erfragen.

Die Beteiligten sollen ihre Fahrzeuge selber in die Anstoßposition stellen. Die Fahrzeuge sind, wenn möglich, wie zum Ereigniszeitpunkt zu besetzen bzw. zu beladen. Bei einer Dokumentation darf nicht vergessen werden, dass die Beschaffenheit der Standebene zu beachten ist. Die Angaben der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige enthalten oftmals Schadenbereiche, die nicht dem Ereignis zuzuordnen sind. Wie die Polizei die Schadenbereiche vermessen hat, ist dem Sachverständigen in aller Regel nicht bekannt. Der Sachverständige darf sich daher nicht durch diese Ergebnisse beeinflussen lassen und muss zu seinem eigenen Ergebnis kommen. Es darf dabei auch nicht vergessen werden, dass Polizisten keine Sachverständigen sind und mit der Arbeit eines Sachverständigen überfordert sind.

Eine Kollision ist ein dynamischer Vorgang. Bei der Gegenüberstellung werden u. U. vollkommen falsche Schlüsse gezogen, da man die Bewegung der Fahrzeuge bzw. des Aufbaues nicht in die Betrachtung einbezieht. Hierbei seien das Eintauchen der Fahrzeugfront und das Anheben des Fahrzeughecks unter bestimmten Bedingungen, wie Beschleunigen oder Bremsen des Fahrzeuges, genannt. Eine Höhenverschiebung von mehreren Zentimetern führt eindeutig zu einer Falschaussage bei der Kompatibilität, wenn im statischen Zustand die Schadenbilder anhand von Fotos verglichen werden. Auch die in der Literatur vielfach angeführten Diagramme können eigene Untersuchungen nicht ersetzen. Es ist nicht möglich, von anderen Sachverständigen Ergebnisse zu übernehmen, ohne die Untersuchungsbedingungen zu kennen. Vergleiche zu anderen Fahrzeugtypen sind nicht aussagekräftig. In einem Gutachten muss die Quelle und die Untersuchungsmethodik stets angegeben werden.

Bei der Betrachtung der Kompatibilität muss der Sachverständige die Steifigkeit der Kontaktzonen (Fahrzeuge) kennen. Der Sachverständige kann bei der Betrachtung der Schadenfotos u. U. zu einem falschen Schluss kommen. Das Fahrzeugheck eines Audi 80 wurde z. B. zum Teil bis zu 10-15 cm eingedrückt, wogegen am BMW 320i (Baureihe E46) der Frontstoßfänger nur äußerlich leicht beschädigt war und sich in seiner ursprünglichen Position befand. Der konstruktive Aufbau, nämlich hier der Einbau von Pralldämpfern und wie diese sich bei einem Unfall verhalten, kann dazu führen, dass berechtigte Schadenersatzforderungen durch eine fehlerhafte Einschätzung des Sachverständigen zu unnötigen Verfahrenskosten führen, da auf den ersten Blick sicherlich die Schadenbereiche nicht plausibel erscheinen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass nach dem Auswerten der Schadenbilder von Fahrzeugen oder nach Abnahme der Maße von einem Fahrzeug aus der gleichen Bauserie auf die Anstoßkonfiguration geschlossen werden kann. Der Sachverständige kann die Überdeckung, den Anstoßwinkel ermitteln und über die Höhenzuordnung, auch eine Aussage treffen, ob das Fahrzeug bremsend gegen das andere fuhr.

Für jeden Abdruck muss ein Gegenstück in der gefundenen Anstoßposition vorhanden sein. Die Deformationslinien der Kontaktzonen müssen übereinstimmen.

Als letztes müssen die Schadenintensitäten verglichen werden, da oftmals die Steifigkeitsverteilung an den Karosseriestrukturen sehr unterschiedlich sein können.

 

Ladungssicherung bei Nutzfahrzeugen

Nach Angaben des GDV (Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft) sind 70 % aller Ladungen mangelhaft oder überhaupt nicht gesichert.

Ladungsschäden auf Grund unzureichender Ladungssicherung werden auf 100-200 Mio. EURO jährlich beziffert.

Ca. 80 % aller mit Zurrgurten gesicherten Ladungen werden niedergezurrt. Die notwendige Sicherungskraft (Vorspannkraft) ist zu berechnen. Die zur Berechnung einzusetzenden Faktoren sind das Gewicht, der Beschleunigungsfaktor, die Gleitreibung sowie der Zurrwinkel des Zurrstranges. Der daraus ermittelte Wert ist die Vorspannkraft, die durch das Spannelement aufgebracht werden muss.

Nach Norm 12195-2 ist die Vorspannkraft STF einfach direkt auf dem Etikett anzugeben. Die tatsächliche Vorspannkraft kann von den Normwerten deutlich abweichen, wenn die Position der Ratsche ungünstig ist oder der Bediener nicht mindestens eine Handkraft von 50 daN am Hebel einleitet. Zwischen dem theoretischen Wert der Vorspannkraft und dem Praxiswert können große Differenzen liegen. Die Überprüfung der tatsächlich aufgebrachten Vorspannkraft mittels digitalen Messgeräts gibt die eindeutigsten Werte und eine absolute Sicherheit.

Andere Messeinrichtungen, die in Schritten von 250, 500 und 750 daN Werte anzeigen, geben gesicherte Näherungen der erzielten Werte. Seit Mai 2001 gilt die DIN EN 12195-2 aus Chemiefasern und ersetzt die Norm DIN 60060.

Dies bedeutet für den Anwender, dass er beim Kauf von neuen Zurrgurten nur noch Systeme nach neuer Form kaufen darf. Er ist damit auch gut beraten, da die europäische Norm technisch größere Ansprüche an das Produkt stellt und damit dem Anwender mehr Sicherheit bietet. Es dürfen jedoch weiterhin die alten Systeme nach DIN 60060 mit Herstellerdatum bis Mai 2001 eingesetzt werden. Mit der neuen Norm wurde die Zurrkraft umbenannt in LC (laching capacity). Ebenso gehören die Begriffe SHF (Standart Hand Force) sowie STF (Standart Tension Force) als normale Spannkraft oder Vorspannkraft dazu.

Die neuen Bezeichnungen sind auch mit Vorteilen verbunden, da nun zwei für den Anwender wesentliche Informationen darin enthalten sind. Werden die Zurrsysteme zum Schräg- oder Diagonalverzurren eingesetzt ist für die LC-Zurrkraft wichtig; zurrt er nieder, zählt nur die STF-Vorspannkraft. Mit Zurrsystemen, die keine Angaben der STF und SHF auf den Etiketten haben, dürfen nicht niedergezurrt werden. Somit dürfte der Unterschied zwischen schräg und diagonal zurren für den Anwender eindeutig verstanden werden.

Warum es nun immer wieder zu Mängeln an den Ladungssicherungen und in der Folge zu schweren Unfällen durch losgelöste Ladung kommt, liegt wohl daran, dass dem Anwender häufig die physikalischen Zusammenhänge nicht bekannt sind. Dabei ist den für die Ladungssicherung auftretenden Kräften durch die Fahrbeanspruchungen so entgegenzuwirken, dass die Ladung in ihrer Position erhalten bleibt. Nach dem Urteil des OLG Düsseldorf ist selbst eine Vollbremsung ein normaler Vorgang und kein Argument dafür, dass es sich um eine Ausnahmesituation gehandelt hat und dadurch die Ladung verrutsche. Auch für diese Situation ist die Ladung ausreichend zu sichern.

Zur Ladungssicherung trägt die Reibung z. T. bei, d. h. die Kontaktfläche von Ladung zum Fahrzeugboden und wenn es sich um eine nicht homogene Ladung handelt, dann die Kontaktfläche der einzelnen Ladungsteile untereinander.

Je nach Beschaffenheit der Kontaktflächen ergibt sich eine höhere oder niedrigere Reibungszahl. Dabei ist zu berücksichtigen, dass man zwischen Haft- und Gleitreibung zu differenzieren hat. Die Haftreibung wirkt bis zum ersten Losbrechen der Ladung und die Gleitreibung wirkt in der Folge, wenn sich die Ladung bereits in Bewegung befindet. In der Regel ist der Gleit- und Reibwert kleiner als der Haftreibwert. Bezüglich der Reibung gibt es von verschiedenen Herstellern mit Zertifikat geprüfte Antirutschmatten, die einen Reibwert von µ =0,6 haben (Metall auf Metall µ =0,2, Betonelemente auf Holz (gebraucht) µ =0,5).

Als nächstes ist zu berücksichtigen, dass es unterschiedliche Sicherungsmethoden gibt. Es gibt die formschlüssige und kraftschlüssige Sicherung oder die Kombination beider. Die kraftschlüssige Sicherung wird dabei erreicht, wenn durch eine Kraft die Reibung so erhöht wird, dass die Ladung gegen Verrutschen gesichert ist, wobei je nach Ladungsgewicht und Gleit-/Reibwert eine alleinige kraftschlüssige Sicherung nicht wirtschaftlich realisierbar ist. In diesen Fällen empfiehlt sich eine Kombination aus Form- und Kraftschluss. Es lässt sich also eine formschlüssige Ladungssicherung durch Zurrgurte, durch Keil oder Holzvernagelungen eine kraftschlüssige Ladungssicherung mit Zurrgurten oder eine Ladungssicherungskombination aus Form- und Kraftschluss herstellen.

Nicht nur im Nutzfahrzeugsektor ist die Ladungssicherung von enormer Bedeutung, sondern zunehmend auch durch die steigende Zahl von Minivans, Vans, SUVs und Transporter im Straßenverkehr.

Die oft nur mangelhafte Trennung zwischen Fahrgast- und Laderaum führt häufig dazu, dass sich Ladung lösen kann und in Notsituationen ein Gefährdungspotential darstellt, welches oft unterschätzt wird. Hinzu kommt, dass im privat genutzten Bereich der Fahrzeuge zum einen nicht die erforderliche Ausbildung vorhanden ist und der sogenannte Endverbraucher die technische Ausrüstung zur Durchführung der Ladungssicherung nicht verfügt.

Lt. StVZO § 39 Abs. 2, der wie folgt lautet:
„Der Halter darf die Inbetriebnahme nicht anordnen oder zulassen, wenn ihm bekannt ist oder bekannt sein muss, dass der Führer nicht zum Lenken geeignet oder das Fahrzeug, …, die Ladung oder die Besetzung nicht vorschriftsmäßig ist oder dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeuges, die Ladung oder die Besetzung leidet.“

Somit sollten sich auch die privaten Nutzer solcher Fahrzeuge und auch der Kleintransporter im gewerblichen Bereich über Einsatz moderner Einrichtungssysteme Gedanken machen, um die hohen Lasten in Service- und Handwerkerfahrzeugen sicher transportieren zu können

 

Simulationsprogramme

Bereits unter „Kollisionsanalyse” wurde auf die Simulationsprogramme etwas eingegangen.

Die klassische Rückwärtsrechnung erfordert immer Annahmen, die von der Einstellung des Anwenders abhängig sind.

Die Vorwärtsrechnung wird durch die zur Verfügung stehenden Programme heute überwiegend angewandt mit der Möglichkeit, in relativ kurzer Zeit eine Vielzahl von Rechenprozeduren durchführen zu können und die Ergebnisse zu optimieren.

Es kann bei Vorlage von verwendbaren Schadenbildern und festgehaltenen Endstellungen bei technisch sinnvoller Parameterwahl auf Grund der Vorwärtsrechnung in den Programmen eine Kollisionsuntersuchung durchgeführt werden, die eine hohe Aussagekraft erhält.

In den letzten Jahren wurden Mehrkörpermodelle entwickelt. Für die Modellierung der Körper sind sehr umfangreiche und komplexe Zusammenhänge zu beachten gewesen, die durch zahlreiche Versuchsabläufe mit den Versuchsergebnissen validiert wurden. Vergleiche zwischen Rechnung und Versuch lassen eine gute Übereinstimmung erkennen.

Die Vorgehensweise mit den Programmen hat mit der Handrechnung wenig gemeinsam, außer bei den Anknüpfungstatsachen. Die Betrachtung der Schadenbilder und deren Auswertung steht nach wie vor an erster Stelle, denn daraus lässt sich die Kollisionsstellung der Fahrzeuge auswerten.

Mit der Handrechnung kann von einer falschen Konstellation ausgegangen werden, hingegen führt dies bei Anwendung des Programms zu falschen Ergebnissen, die dann sichtbar sind.

Bei der Nutzung der Programme ist dennoch wichtig, dass alle Eingabewerte für den kollisionsmechanischen Ablauf realistisch sind.

Das Programm sollte ein gutes Hilfsmittel bleiben und ist für die Überprüfung der eigenen Berechnungen sowie der Darstellung von Bewegungsabläufen sehr hilfreich.